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Interview: 01.2025 MARKUS COLLE IM BUILDING TIMES MAGAZIN

Markus Colle will es noch einmal wissen. Nach Jahrzehnten bei einem führenden Gebäudetechnik-Anlagenbauer möchte er mit der Styr Group den Markt aufmischen.

Er ist gelernter Maschinenbauer und ein Urgestein des potenten Gebäudetechnik-Chamäleons Sulzer-Axima-Cofely-Engie-Equans. Dort war er fast drei Jahrzehnte in leitender Funktion, zuletzt mehrere Jahre als Geschäftsführer, tätig. Colle ist passionierter Rennradfahrer und als solcher legte er im Vorjahr rund 13.000 Kilometer zurück. Für Strecken unter 80 Kilometern zieht er sich das Trikot eher nicht an. Seit Oktober 2024 hat der gebürtige Niederösterreicher eine neue Strecke vor sich – er leitet als CEO die Styr Group. An seiner Seite kümmert sich Martin Holnburger als CFO um den Finanzbereich. Er kommt aus der Private Equity-Ecke und begann seine Karriere bei Red Bull, wirkte bei Roland Berger und danach etwa drei Jahre bei Aurelius, einem Unternehmen, das sich mit Privat Equity und Immobilien beschäftigt. Gemeinsam möchten die beiden Manager Styr künftig zu einem innovativen Generalunternehmen in der Gebäudetechnik positionieren.

Die Styr ist ein vergleichsweise junges Gebäudetechnik-Konstrukt, das im Zuge der Insolvenz der HMI Gruppe im Sommer 2024 entstanden ist. 76 Prozent der Styr gehören der Ambrella21 GmbH, die erst seit Kurzem im Alleineigentum des Investors Christoph Bauer steht. Weitere 24 Prozent hält eine Stiftung, ebenfalls im Einflussbereich von Bauer. Der neue Eigentümer hat die gesunden Teile der HMI erworben und möchte neu durchstarten. Und das nicht zu knapp. „Wir haben Großes vor und haben die letzten zehn Monate hart gearbeitet, um die Gruppe künftig stark am Markt zu positionieren“, gab einer der beiden damaligen Eigentümer im Sommer des Vorjahres zu Protokoll. Der Name des neuen Unternehmens leitet sich aus dem skandinavischen „styre“ ab und bedeutet „steuern“ oder „lenken“. Wohin die gesteuerte Fahrt gehen soll, ist klar – man möchte durch Zukäufe schnell wachsen und innerhalb der kommenden fünf Jahre zu einem großen Player des Business werden. „Unser Ziel ist, bereits in wenigen Jahren Totalunternehmer im High-Tech Industriebereich zu werden“, lautet die Losung auf der Webpage. Konkret mitmischen möchte man künftig in der Gebäudetechnik, der Elektrotechnik und dem Gebäudemanagement. „Wir sind schuldenfrei, in bestem Einvernehmen mit den Banken und können uns damit voll auf Akquisition und Realisierung neuer Projekte konzentrieren“, sagt CFO Holnburger. An Entfaltungsraum fehlt es den Styr-Grouplern nicht. Der Ex-Firmensitz der HMI in der Mödlinger Kalterer Gasse war für eine Firma mit zumindest 250 Beschäftigten konzipiert – so groß war die HMI in etwa vor der ersten Insolvenz. Derzeit steht die aus vier GmbHs bestehende Styr bei rund 40 Mitarbeitern, aus der ehemaligen HMI-Führungsmannschaft ist mit Dusan Trifunovic nur mehr ein Kopf mit an Bord. Gesucht werden derzeit Projektleiter für Elektrotechnik und HKLS sowie Kräfte für die IT, das Office und Buchhaltung. Colle würde sich freuen, wenn sich der eine oder andere aus seiner Vorgängerfirma zu ihm gesellen würde, wie er betont. Wie die Styr zu dem werden will, was geplant ist, was der Markt derzeit hergibt und wieso man auch kleine Projekte schätzt,
lesen Sie im Exklusiv-Interview mit Markus Colle.

Das Jahr 2025 hat gerade begonnen. Was erwarten Sie sich für heuer?
Colle: Insgesamt erwarte ich mir, dass sich die Konjunktur geringfügig bessert. Ich glaube nicht, dass jetzt der essenzielle Umbruch vor der Tür steht, aber wir haben in der Bauwirtschaft jetzt eine sehr lange Durststrecke hinter uns und meine, dass es jetzt doch wieder aufwärts geht.

Und was erwarten Sie für Styr?
Colle: Für das Unternehmen erwarte ich mir, dass unser Plan für 2025 aufgeht. Ich denke, dass wir ein paar Firmenzukäufe realisieren und einige Aufträge ins Haus holen können.

Sind derzeit überhaupt genug Projekte am Markt, um richtig durchzustarten?
Colle: Grundsätzlich ja. Aber dann sehen wir in manchen Bereichen, dass zum Beispiel irländische Unternehmen diese Großprojekte abarbeiten.

In welchem Segment sind die Iren vor Ort?
Colle: Bei Datacentern gibt es einige irische Anbieter, die sich große Projekte angeln.

Und wie sieht es bei anderen, also bei klassischen Projekten aus?
Colle: Bei Projekten, die jeder machen kann, fehlen sicher die Großprojekte. Projekte, die alle können, sind aber auch nicht unser primäres Ziel. Es gibt eine Reihe von kleineren Bauten, die das durchaus wettmachen.

Die Styr Group tritt am Markt gegen große und bestens etablierte Player an. Was macht Sie sicher, dass Sie tatsächlich punkten werden?
Colle: In Wirklichkeit schauen wir, dass wir die Qualitäten eines mittelständischen Unternehmens, also die Agilität und die Flexibilität, verbinden mit dem, was Großunternehmen können. Großunternehmen sind technisch meist sehr gut aufgestellt, ihnen fehlt aber häufig die Agilität. Wir als Styr können beides. Daher sind wir in der Lage, mit Partnern große Projekte zu realisieren.

Letztlich geht es bei der Gebäudetechnik und im FM immer um den Preis. Planen Sie, als Diskonter aufzutreten?
Colle: Der Preis zählt schon, aber nicht immer. Es gibt Segmente, in denen der Preis allein nicht entscheidend ist. Das sind eher kleine Projekte, bei denen man direkt mit dem Kunden in Kontakt ist und Dinge, wie Umbauten schnell und professionell erledigt. Und es sind sehr große Projekte, besonders auch international geprägte, bei denen Qualität und Sicherheit wichtige Kriterien sind, die in Österreich nicht so ausgeprägt vorhanden sind.

Welche Sparte sprechen Sie da an? Die Gesundheit wohl nicht, wo ein sehr großer Österreicher sehr gut positioniert ist?
Colle: Die Gesundheitssparte ist tatsächlich nicht unser allererstes Ziel.

Mit der Zentrale in Mödling sind Sie für den Markt in Ostösterreich gut positioniert. Wie sieht es mit Aktivitäten im Westen aus? Ist da etwas geplant?
Colle: Wir beginnen jetzt einmal den Großraum Wien bis Linz zu bearbeiten. Hier gibt es normalerweise genügend Projekte. Mittelfristig ist das Wachstum aber für den gesamten deutschsprachigen Raum geplant.

Der Westen Österreichs mit seinen doch vielen Hotels hat für Sie keinen Stellenwert?
Colle: Wir orientieren uns im komplexen Anlagenbau, dazu zähle ich Hotels nicht unbedingt. Prinzipiell ist der Westen schon interessant, ist aber nicht das, was wir gleich anstreben.

Das heißt, in der ersten Phase streben Sie Pharma und Rechenzentren an?
Colle: Ja, auch Biotechnologie und Reinraumtechnik gehört dazu.

Und gewöhnliche Büros?
Colle: Ja, gerne, wenn sie kommen und der Anspruch als Gesamtanbieter über die gesamte Wertschöpfungskette vorhanden ist. HKLS, Elektrotechnik und FM sind die drei Kompetenzen der Styr. In welcher Sparte sehen Sie das größte

Wachstumspotenzial?
Colle: Eindeutig HKLS, das ist auch jener Bereich aus dem wir kommen. Großes Potenzial sehe ich in der Elektrotechnik, wobei ich dazusagen muss, dass dieser Bereich am schwierigsten zu entwickeln ist.

Und Facility Management läuft mit?
Colle: Das kann und wird wachsen, wenn es passt. Es ist aber kein Zweig, den wir jetzt aktiv andrücken wollen.

Wie viele Mitarbeiter:innen sind derzeit insgesamt beschäftigt?
Colle: Aktuell sind wir um die vierzig Mitarbeiter:innen.

Das waren zu HMI-Zeiten doch bedeutend mehr, oder?
Colle: Ja, wir haben uns auf den aktuellen Stand reduziert und arbeiten mit jenen Mitarbeiter:innen, die in der Vergangenheit verlässlich waren und mit denen wollen wir für die Zukunft aufbauen. Das passt auch gut als Basis.

Diese Mitarbeiter:innen sind derzeit auch ausgelastet?
Colle: Ja.

Welches ist derzeit das größte Projekt?
Colle: Das ist im Village im 3. Bezirk, das jetzt bald ausläuft.

Was kommt dann?
Colle: Wir haben einige sehr gute Projekte in der Pipeline, bei denen es Ende März zur finalen Vergabe kommt. Dazu kommen einige kleinere, die laufend reinkommen. Das läuft im Moment sehr gut.

Wie groß muss ein Projekt sein, damit es für Sie interessant ist?
Colle: Das lässt sich so nicht sagen. Kleinere, interessante Projekte decken wir mit der eigenen Mannschaft ab. Und große Projekte mit einem Volumen von 5 bis 15 Millionen Euro mit Partnern. Strategisches Ziel ist am Ende des Tages als Gesamtanbieter für alle Gewerke aufzutreten und große Projekte auch in der eigenen Gruppe abzuwickeln.

Die Referenzen von Styr sind im Wesentlichen Projekte der HMI. Trotzdem distanziert sich Styr sehr klar von den ehemaligen HMI-Machern. Was ist da passiert?
Colle: Die HMI hatte ein sehr schnelles Wachstum mit einigen sehr großen Projekten, die Organisation ist aber nicht dementsprechend mitgewachsen. Das Controlling hat da manches übersehen und am Ende hat die Qualität auch gelitten. Die Führungskräfte aus der Vergangenheit sind bis auf eine Ausnahme nicht mehr bei uns tätig. Für uns geht es mit der neuen Marke darum, verbindlich zu sein und dafür stehe ich auch.

Die HMI hatte ja erhebliche Verbindlichkeiten. Hat Styr diese Schulden übernommen und starten Sie mit einem Schuldenrucksack?
Colle: Es gab einen Schnitt. Zwei Unternehmen wurden geschlossen. Die Styr startet jedenfalls nicht mit einem Schuldenrucksack, wir sind eigenfinanziert und haben keine Bankverbindlichkeiten.

Gibt es Technologien, denen Sie in der Zukunft besonderes Augenmerk schenken wollen?
Colle: Ich denke, es sind nicht einzelne Technologien, sondern der Anspruch, Gebäude als Ganzes zu betrachten. Ein Gebäude beginnt letztlich bei der Hülle, um effizient zu sein. Dementsprechend kann dann die Gebäudetechnik gestaltet werden. Wir wollen Gebäude als
Ganzes betrachten und uns schon in der Planungsphase einbringen. Das Stichwort dazu lautet: kooperatives Bauen. Nur wenn im Designprozess eines Bauwerks technische Fragen mitbedacht werden, kann am Ende ein lebenszykluskostenoptimiertes Gebäude entstehen.

Sie denken aber in Gebäuden, und nicht in Quartieren?
Colle: Wir denken aktuell in Gebäuden, für Quartiere sind wir noch zu klein.

Zuletzt ist bei Styr einer der Bitpanda-Gründer eingestiegen. Wie hoch ist sein Engagement und werden weitere Investor:innen gesucht?
Colle: Zu dem Engagement von Christian Trummer gibt es eine Vertraulichkeitsvereinbarung.

Erklärtes Ziel von Styr ist es, schnell zu wachsen, auch durch Zukäufe. Welche Art von Firmen möchten Sie gerne integrieren?
Colle: Eine gesunde Basis wäre die Integration eines größeren HKLS-Unternehmens oder eines größeren Elektrounternehmens. Das große Thema unserer Zeit sind die Mitarbeiter:innen. Darum geht es auch in der Krise.

In welcher Größenordnung denken Sie da? Sind das Firmen mit 30 Beschäftigten oder solche mit 150 bis 500 Mitarbeiter:innen?
Colle: Eher schon Zweiteres.

Sehen Sie da was am Markt?
Colle: Von den ganz Großen gibt es nur wenige, das ist klar. Aber bei den mittleren sehe ich schon Potenziale, nicht heute oder morgen, aber vielleicht doch noch 2025.

Gibt es bereits Verhandlungen?
Colle: Ja, die gibt es, die sind aber vertraulich.

Wie soll ein Zukauf finanziert werden?
Colle: Wir haben sehr kapitalstarke Eigentümer und es gibt auch weitere Investor:innen, die gerne in diese Branche investieren würden. Es ist und bleibt eine Wachstumsbranche mit langfristiger Perspektive.

Bei dem, was ich jetzt über Styr weiß, drängt sich der Verdacht auf, da wird etwas hochgezogen, um es dann möglichst gewinnbringend weiterzuverkaufen. Könnte das stimmen?
Colle: Diese Philosophie habe ich so nicht wahrgenommen. Unter dieser Prämisse wäre ich auch nicht hergekommen. Es geht darum, mittel- und langfristig etwas aufzubauen.

Auch die Baukonzerne drängen zunehmend in die Gebäudetechnik. Warum sind Sie sicher, dass da noch Platz ist?
Colle: Es ist definitiv Platz für einen agilen Player.

Welche Größenordnung planen Sie 2025 beim Umsatz?
Colle: Das lässt sich nicht wirklich beziffern, weil es davon abhängt, ob und wie viele Zukäufe realisiert werden. Planbar ist nur das, was wir
selbst machen.

Haben Sie vor, noch Mitstreiter:innen aus der Vergangenheit in die Styr zu bringen?
Colle: Ich würde mich freuen und bin offen für Gespräche.

Zur Politik. Es scheint so zu sein, dass wir eine Blau-Schwarze Regierung erhalten. Erwarten Sie dadurch Rückschritte in Sachen Energieeffizienz von Gebäuden?
Colle: Die ersten Signale deuten darauf hin, dass der Klimaschutz nicht mehr diese Priorität wie in der Vergangenheit haben wird. Ich glaube aber nicht, dass sich dies sehr schnell auf Regularien niederschlägt. Ich meine, davon ist eher die Förderecke betroffen.

Wenn der Klimaschutz in den Hintergrund tritt, könnte das aber auf Bauherr:innen abfärben, oder nicht? Sie könnten sich mit alter fossiler Technik begnügen, oder nicht? Rechenzentren kann man sehr anspruchsvoll bauen oder halt eher minderwertig.
Colle: Für Rechenzentren wird es künftig vielleicht sogar einfacher. Wir haben in diesem Segment sehr lange Genehmigungsfristen und viel Detailprüfungen. Das könnte sich ändern und das Baugeschäft beleben. Grundsätzlich sehen wir schon, dass CO2-Reduktion und Energiesparen zwei Geschwister sind und auch in der Vergangenheit unter der Prämisse „Es muss sich auch rechnen“ betrachtet wurden. Es gibt nur wenige Bauherr:innen, denen die Umwelt so wichtig ist, dass sich ein Projekt nicht auch rechnen muss.

Die Frage ist dabei immer auch, über welchen Zeitraum? Wenn der Spin im Raum steht, dass es hip ist, effizient zu sein, werden womöglich auch längere Amortisationszeiten akzeptiert, oder nicht?
Colle: In meiner Wahrnehmung gab es schon bisher eine Zweiteilung. Dort wo gewerbliche Bauherren direkt mit Endkund:innen in Kontakt sind, ist die Effizienz ein großes Thema. Das sieht man ganz klar bei den Retailern, wie Hofer, Lidl und Spar und anderen. Jenen Entwicklern, die rein das Business to Business-Segment bedienen, denen war diese Sache nicht so wichtig. Wobei es auch hier Ausnahmen und Vorreiter:innen gibt.

Sie sind seit Jahrzehnten im Geschäft. Was hat sich in den letzten zehn Jahren am gravierendsten verändert?
Colle: Eigentlich gar nicht so sehr, wenn man es mit anderen Branchen und Gewerken vergleicht. Am ehesten hat sich die Geschwindigkeit verändert. Jeder technologische Fortschritt in der Planungsphase führt dazu, dass Projekte immer agiler werden. Das heißt, es wird laufend noch mehr geändert, als dies früher der Fall war. Leider werden die technischen Tools nicht dazu genutzt, um effizienter zu bauen, sondern eher dazu, um Entscheidungen zu verzögern und später zu treffen.

Kann man dem etwas entgegensetzen?
Colle: Eher nicht, wir sind da Beifahrer.

Früher war es oft so, dass die Ausführenden Planungen umgedreht haben. Verfolgen Sie tendenziell diesen Ansatz oder vertrauen Sie den Gebäudetechnikplanern?
Colle: Das ist keine Entweder-Oder-Frage. Das eigentliche Ziel ist es, möglichst früh in die Planung miteinbezogen zu werden. Es geht um kooperative Planung und Bauen. Planen von Null weg hat eine andere Qualität als jene der Ausführenden. Wenn man aber als Ausführender seine Erfahrungen aus Bau und Betrieb in die Planung miteinbringen kann, dann wird es auf Anhieb supergut. Wenn das nicht der Fall ist, wird man als Ausführender aus Kostengründen nicht umhinkommen, dem Bauherren Alternativen oder Änderungen zu offerieren. Die Entscheidung trifft dann letztlich der Bauherr.