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Round Table Bau & Immobilienreport „PARTNERSCHAFTSMODELLE AM PRÜFSTAND“

Der Bau & Immobilien Report hat eine hochkarätige Runde zur Diskussion über »Partnerschaftsmodelle« geladen. Der Tenor: Das Zeitalter des Claim-Managements neigt sich dem Ende zu. Für eine kooperative Projektabwicklung sind die Menschen entscheidend. Ohne den passenden vertraglichen Rahmen wird es aber schwierig.

Swietelsky hat bereits mehrere Projekte kooperativ bzw. im Partnerschaftsmodell umgesetzt. Erst im März wurde ein Allianzvertrag für das Hauptbaulos des Kraftwerks Innstufe Imst-Haiming der TIWAG unterzeichnet.

Worin liegt der größte Mehrwert? Woran erkennt man eine »kooperative Baustelle«?
Peter Krammer: In meiner ursprünglichen Funktion war ich Claim-Manager. Da ging es darum, jede Leistungsstörung und jede Änderung in einen Nachtrag zu verwandeln. Diese Philosophie hat sich – Gott sei Dank – insbesondere bei Partnerschaftsmodellen geändert. Wir sehen, dass bei diesen Projekten tatsächlich gemeinsam an einer bestmöglichen Umsetzung gearbeitet wird. Von zentraler Bedeutung ist die gemeinsame Risikosphäre und der Win-win-Ansatz. Eine kooperative Baustelle erkennt man am reibungslosen Bauablauf und daran, dass es keine oder nur sehr geringe Mehrkostenforderungen gibt. Nach außen erkennt man ein Partnerschaftsmodell auch am gemeinsamen Containerdorf. Es gibt kein Nebeneinander, sondern ein Miteinander.

»Das Risiko darf nicht wie eine heiße Kartoffel hin- und hergeworfen werden.«
Wolfgang Kradischnig

Allianzverträge kommen meist bei risikoreichen Infrastrukturprojekten zum Einsatz. Die UBM ist ein klassischer Projektentwickler.

Was verstehen Sie unter einer partnerschaftlichen Projektabwicklung?
Peter Schaller: Unabhängig vom Vertragsmodell bin ich überzeugt, dass eine partnerschaftliche Projektabwicklung immer von den handelnden Personen abhängig ist. Die Beteiligten müssen nicht beste Freunde sein, aber wenn sie gut miteinander können, ein gemeinsames Verständnis haben und sich auf Augenhöhe begegnen, dann funktioniert ein Projekt in der Regel. Bauen ist People Business. Ich sehe die Bauwirtschaft auch auf dem Weg in Richtung Systembau. Partnerschaft ist dabei unerlässlich, allein schon deshalb, weil man sich frühzeitig für ein System und einen Partner entscheiden muss. Je früher alle Beteiligten an Bord sind, desto besser für das Projekt.

Herr Kradischnig, wie wichtig ist die Unternehmens- und Projektkultur für eine partnerschaftliche Projektabwicklung?
Wolfgang Kradischnig: Aus meiner Sicht ist das Mindset entscheidend. Wer aus einem Unternehmen kommt, in dem Claim-Management zelebriert wird, wird sich in einem allianzorientierten Umfeld schwertun. In Österreich sind wir immer noch in einer Phase, in der Erfahrungen gesammelt werden. Andere Länder sind hier weiter. Für eine kooperative Projektabwicklung ist die Auftraggeberseite entscheidend. Sie muss nicht nur wollen, sondern auch mit den richtigen Rahmenbedingungen ermöglichen: eine ausgewogene vertragliche Grundlage und die frühe Einbindung der ausführenden Seite. Entscheidend ist ein gemeinsamer Risikotopf in Kombination mit einem Bonus-Malus-System. Wird ein Risiko schlagend, muss man sich gemeinsam verantwortlich fühlen.

Herr Heid, was ist wichtiger – Mindset oder vertragliche Grundlage?
Stephan Heid: Ganz eindeutig der Mensch entscheidet über den Erfolg. Unsere Aufgabe als Rechtsanwälte ist es, diese kulturellen Faktoren durch vertragliche Mechanismen zu unterstützen. Wir können Verträge so gestalten, dass Win-win-Situationen honoriert werden, etwa durch ein gemeinsames Vergütungssystem oder Eskalationsstufen für Konflikte. Ziel muss es sein, Probleme auf der Ebene zu lösen, auf der die beste technische Lösung gefunden werden kann. Den Menschen können wir nicht ersetzen – wenn er nicht funktioniert, funktioniert auch der beste Allianzvertrag nicht.

Wenn es um partnerschaftliche Projektabwicklung geht, stehen oft Auftragnehmer und Auftraggeber, Juristen und Berater im Fokus. Weniger gehört werden Subunternehmen und Lieferanten.

Herr Colle, wie erleben Sie als Geschäftsführer eines Haustechnikunternehmens die Zusammenarbeit?
Markus Colle: Wenn ich vergleiche, wie heute gearbeitet wird im Vergleich zu vor 15 Jahren, sehe ich eine deutliche positive Entwicklung. Partnerschaftliche Projektabwicklung funktioniert vor allem dann gut, wenn ein starker Auftraggeber dahintersteht – einer, der weiß, was er will und was das kostet. Natürlich ist es einfacher, Preise zu vergleichen als Unternehmenskulturen. Aber echte Kooperation kann es nur geben, wenn nicht jeder nur an seinen eigenen Vorteil denkt.

Ich habe viel mit amerikanischen und irischen Unternehmen gearbeitet. Dort ist es üblich, Partner frühzeitig einzubinden und mit einem Guaranteed Maximum Price (GMP)-Modell zu arbeiten. Die Atmosphäre ist eine ganz andere. Ich habe erlebt, dass Projektleiter ihren Urlaub unterbrechen, um bei der Inbetriebnahme eines Notstromaggregats dabei zu sein. So etwas war mir zuvor fremd.

Peter Schaller: Die Unternehmenskultur ist auf allen Ebenen wichtig – auch auf Seiten der Auftraggeber. Sie zeigt sich darin, wie mit Projekten, Generalunternehmern und Nachunternehmen umgegangen wird. Man muss allerdings zwischen privaten und öffentlichen Auftraggebern unterscheiden. Die öffentliche Hand ist durch das Bundesvergabegesetz gebunden, während private Auftraggeber freier agieren und sich ihre Partner aussuchen können.

Stephan Heid: Ich sehe die Bindung an das Bundesvergabegesetz nicht als Nachteil. Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, den Vergabeprozess extrem gut zu strukturieren und für Gleichbehandlung, Objektivität und Nachvollziehbarkeit zu sorgen – das liegt in seiner DNA. Viele Private könnten sich davon etwas abschauen.

Peter Krammer: Ich möchte das etwas relativieren. Ja, die Menschen sind wichtig – aber nicht alles. Ein Projekt meines damaligen Arbeitgebers in Deutschland ging um das Jahr 2006 komplett schief, weil auf der Baustelle ein regelrechter Kampf herrschte. Das Projekt wurde gestoppt und mit Early Contractor Involvement (ECI) neu aufgesetzt. Plötzlich arbeiteten dieselben Personen ganz anders miteinander – durch neue vertragliche Anreize. Der Vertrag ist also sehr wohl entscheidend.

Die Wurzel vieler Probleme liegt im sequentiellen Denken: Idee, Planung, Ausschreibung, Ausführung – oft verbunden mit baubegleitender Planung. Das ist ein Rezept für Desaster. ECI ist ein wesentlicher Schlüssel für bessere Bauabwicklung.

Wolfgang Kradischnig: Es gibt viele Modelle, die funktionieren – oder eben nicht. Aber Studien zeigen, dass Unternehmenskultur direkten Einfluss auf den Projekterfolg hat. Man kann Rahmenbedingungen schaffen, die Abläufe erleichtern oder erschweren. Probleme gibt es bei jedem Projekt. Aber ein stabiles, resilientes Team kann damit besser umgehen.

Markus Colle: Wir brauchen beides – den Menschen und das Vertragswerk. Wenn der Vertrag auf Konfrontation ausgelegt ist, dann spielen die Menschen eine untergeordnete Rolle.

Peter Krammer: Am Ende des Tages will der Bauherr ein gutes Projekt, der Auftragnehmer will Geld verdienen – so ist das nun mal.

Wolfgang Kradischnig: Nicht nur – da muss ich widersprechen. Das ist zu kurz gedacht.

Peter Krammer: Eine Baustelle ist kein Selbstzweck. Es geht darum, Kundenwünsche zu erfüllen und dabei wirtschaftlich zu bleiben.

Wolfgang Kradischnig: Natürlich muss man Geld verdienen. Aber es geht auch um nachhaltigen Erfolg. Wer immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, verliert Vertrauen – und damit auch künftige Aufträge.

»Es kommt viel auf die Menschen an, aber ganz wichtig für eine kooperative Projektabwicklung ist der Vertrag.«
Peter Krammer

»Das stärkste Argument für Partnerschaftsmodelle ist: Wer es einmal gemacht hat, macht es immer wieder.«
Stephan Heid

Welche Rolle spielt ECI?

Peter Krammer: Für mich ist die frühzeitige Einbindung des ausführenden Unternehmens ein echter Paradigmenwechsel. Wenn ich mich über Monate hinweg intensiv auf ein Projekt vorbereiten kann, lassen sich Risiken wesentlich besser minimieren. Die Projektteams kennen sich, man weiß, wie man gemeinsam zu Lösungen kommt. Es herrschen Offenheit und Transparenz – und genau das ist enorm wichtig.

Wolfgang Kradischnig: ECI hat aus meiner Sicht aber auch ein Problem: Es gibt Auftraggeber, die holen sich das Know-how der Ausführenden frühzeitig an Bord, bewerten es aber nicht angemessen. In solchen Fällen gefallen mir Partnering-Modelle besser. Dort ist nämlich geregelt, dass es auch dann eine Aufwandsentschädigung gibt, wenn man sich nach der Partnering-Phase doch nicht einigt.

Peter Schaller: Der große Vorteil von ECI liegt darin, dass man keine Planung doppelt machen muss. Man erhält vom Auftragnehmer frühzeitig ein Commitment zur Umsetzung. Früher – besonders bei öffentlichen Aufträgen – zählte fast ausschließlich der Preis. Wer zu teuer war, war draußen. Deshalb wurde oft unter Preis angeboten und dann versucht, über Claims das Geld hereinzuholen.

»Früher hieß es: Einen Auftrag bekommst du nur, wenn du dich verkalkulierst.«

Markus Colle: Für mich als Vertreter der Haustechnik ist es essenziell, mich früh einbringen zu können. Nur so kann man von Anfang an auf den maximalen Nutzen hin planen. Wenn man erst spät ins Projekt einsteigt, steht man oft vor vollendeten Tatsachen – das führt zu Systembrüchen und Umplanungen. Frühzeitige Einbindung ist deutlich günstiger als späte Korrekturen.

Stephan Heid: Absolut richtig – und das gilt für beide Seiten. Der Produktivitätsgewinn ist sogar messbar. Das hat das Allianzprojekt Kühtai der TIWAG gezeigt.

Peter Krammer: Produktivitätssteigerung ist essenziell für unsere Branche. Dafür müssen wir Leerläufe und Leerstunden vermeiden. Mit ECI gelingt das, besonders in Verbindung mit Lean Management, weil man genau weiß, was wann zu tun ist.

Das erste Allianzprojekt in Österreich war das Gemeinschaftskraftwerk Inn (GKI). Bis heute wurden 15 Allianzprojekte umgesetzt.

Hätte es die anderen 14 ohne das GKI gegeben?
Stephan Heid: Sicher nicht so schnell. Es braucht immer einen Frontrunner – jemanden, der mutig genug ist, neue Wege zu gehen. Und es braucht den Beweis, dass ein Modell funktioniert: Wie funktioniert das Vergütungsmodell? Wie der gemeinsame Risikotopf? Vor allem öffentliche Auftraggeber schauen hier sehr genau hin. Jedes erfolgreiche Projekt bringt Rückenwind für weitere Vorhaben. Ohne die Drucksituation beim GKI hätte es sicherlich länger gedauert.

Peter Krammer: Das stimmt – aber es wird besser. Die ASFINAG arbeitet bereits daran, die TIWAG sowieso. Auch bei der ÖBB geht es in die richtige Richtung. Bei den Wiener Linien dauert es noch ein wenig.

Stephan Heid: Wie gesagt: Das stärkste Argument für Partnerschaftsmodelle ist, dass man nach dem ersten Mal nicht mehr zurück will.

»Bei klassischen Modellen benötigen wir im Vergleich zu Partnerschaftsmodellen den doppelten Personaleinsatz.«
Markus Colle

Risiken & Hürden

Wir haben viel über die Vorteile von Partnerschaftsmodellen gesprochen. Doch nicht jedes Projekt, das unter diesem Banner läuft, ist automatisch ein Erfolg.

Woran scheitert eine partnerschaftliche Projektabwicklung am häufigsten?

Peter Krammer: Wenn im gemeinsamen Risikotopf Risiken schlagend werden, die einen wirtschaftlichen Erfolg unmöglich machen. Dennoch ist in der Regel so vorgesorgt, dass dem Auftragnehmer zumindest die Herstellungskosten ersetzt werden.

Wolfgang Kradischnig: Es reicht, wenn nur eine Person im Projekt nicht richtig mitspielt – das beeinflusst das gesamte Team. Das beobachten wir auch beim Lean Management: Produktivität steigt nur, wenn alle Prozesse im Fluss sind. Deshalb müssen wir gemeinsam darauf achten, dass das „Werkl“ läuft.

Stephan Heid: Ich sehe eine große Gefahr im Etikettenschwindel. Es kann vorkommen, dass Bauherren nach außen das Bild eines partnerschaftlichen Projekts zeichnen, intern aber eine andere Agenda verfolgen. Wie Herr Kradischnig bereits sagte: Wenn man das Know-how der Ausführenden im Vergabeverfahren abschöpft, aber nicht angemessen vergütet – das ist unfair und keinesfalls partnerschaftlich.

Partnerschaft bedeutet für mich, dass die Partnering-Phase auch dann vergütet wird, wenn sie nicht in einen Auftrag mündet. Ein weiteres Risiko: Auch bei Partnerschaftsmodellen versuchen manche Auftraggeber, eigene Interessen durch die Hintertür ins Projekt zu schmuggeln – etwa indem klar zuordenbare Auftraggeberrisiken in den gemeinsamen Risikotopf gelegt werden. Das widerspricht dem Grundgedanken der Partnerschaft.

Peter Krammer: Solche Vertragsklauseln begegnen uns tatsächlich immer wieder. In solchen Fällen müssen Anpassungen vorgenommen werden, bevor man in die nächste Runde geht.